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Frag nach Mario

Oder: Die Suche nach Selbstliebe

Nach der wunderbaren Wintertöchter-Trilogie hat der Pinguletta Verlag auch mit dem Autor Gerd Schäfer ein Händchen für guten Lesestoff bewiesen. Ich durfte den Roman "Frag nach Mario"* lesen und entdecken.

Entdecken ist auch hier genau das richtige Wort, denn allein vom Cover her hätte ich mir das Buch nicht näher angeschaut, aber da gehe ich später näher drauf ein.

Auch der kurze Klappentext war vage:

Mitdreißigerin ist unglücklich, lernt auf einer Dating-Plattform einen Mann kennen, der sie auf reisen schickt, sie wartet auf die große Liebe...

Hmm, klingt nach einem klassisch-modernen Liebesroman. Dachte ich.

Aber beginnen wir mal von vorn.

Das ist der Inhalt

Laura, Mitte 30, verheiratet mit einem Nerd, ist unzufrieden mit ihrem Leben. Für sie ist alles grau-schwarz. Ihr Mann betrachtet sie nicht und ihr Job stresst sie nur noch. Obwohl sie erfolgreich ist und eine hohe Stelle innehat, besitzt sie doch keine Freizeit.

Sie beschließt spontan eine Annonce auf einer Internet-Dating-Seite zu veröffentlichen. Daraufhin meldet sich ein gewisser Mario.

Er ist der erste, der sie fragt wie es ihr geht und ist an ihrer Person interessiert.

Nach einigem hin und her, bittet er sie einen Kurztrip an die See zu machen, wo sie nach "Mario" fragen soll.

Nachdem sie sich drauf einlässt, beginnt für sie eine spannende Zeit.

Sie wird auf weitere Reisen geschickt und lernt immer einen neuen "Mario" kennen, der oder die ihr mit einer Situation aus ihrem Leben weiterhilft. Auf jeder Reise lernt Laura sich ein Stück weit selber kennen, springt über ihren Schatten und stellt sich ihren Ängsten.

Sie lernt Menschen und deren Leben kennen, fängt an zu hinterfragen, auch ihr eigenes Leben.

Bis sie am Ende tatsächlich vor Mario steht.

Meine Idee zum Buch (mit Spoilern)

 "Wenn ein Buch mit einem ARSCHLOCH beginnt, kann es nur gut werden." (Zitat "Die Lesebrille")

 

Schon auf den ersten Seiten hat mir das Buch sehr gut gefallen, da mir der Schreibstil gefällt. Der Autor hat eine bildhafte beschreibende Sprache gewählt ohne allzu blümerant zu wirken. Der Roman ist definitiv im hier und jetzt und beschreibt die Zerrissenheit vieler Menschen.

Die Protagonistin Laura war mir zu jeder Zeit sympathisch, trotz ihrer Furcht und Fehltritte.

An einigen Stellen war der Roman etwas vorhersehbar. Was ich jedoch nicht vorhersehen konnte war, dass es sich hierbei nicht um einen klassisch schnulzigen Liebesroman handelt, sondern um die Selbstliebe #selflove

Denn nur wer gelernt hat sich selbst zu lieben, kann auch andere Menschen lieben.

Und durch Laura und ihre Reisen, hat Gerd Schäfer es unglaublich charmant gemeistert diesen Wandel aufzuzeigen.

Natürlich sprechen wir hier von einem fiktiven Roman, wo alles immer einfacher geht, als im wahren Leben. Sicherlich ist ein bisschen "Heimatfilm-Romanze" mit beigemischt worden.

 

(Spoiler) Nehmen wir die Szene, wo Laura Bungeejumping machen soll. Obwohl sie mehrere Ängste hat, wie Höhenangst, Angst vorm Fallen etc. braucht es nur ein paar gute Worte, damit sie doch springt.

Sehe ich mich an ihrer Stelle, hätten auch gute Worte nichts genützt. Ich wäre einfach nicht gesprungen.

Auch das Eheaus und die damit verbundene Reaktion, waren so einfach gelöst, dass der Charakter unbeschadet aus der Situation kam.

Ebenso der Gang zum Grab oder das Gespräch mit dem Mädchen im Kinderheim gehen etwas zu locker von statten. (Spoiler Ende)

 

Im wahren Leben sind das wirklich bedeutende, teils tief verankerte Situationen, die einem großen Kummer bereiten und nicht so einfach mit nur einem guten Tag zu überwinden sind.

Das wirkt an einigen Stellen etwas unrealistisch, gibt dem Leser aber dieses Heile-Welt-Denken und tut ebenso gut.

Auch habe ich ein paar Ungereimtheiten entdeckt.

In der ganzen langen Zeit in der Mario und Laura miteinander schreiben und er sie an viele Orte schickt, wird nicht einmal nach einem Foto des anderen gefragt.

Das erscheint mir sehr ungewöhnlich. Da ich mich in der Vergangenheit selbst mit Online-Dating auseinander gesetzt habe, kann ich nur sagen, dass dies nicht der Realität entspricht, da man recht früh wissen möchte, wer einem da gegenüber sitzt (auch wenn man sich des Fotos niemals sicher sein kann).

An dieser Stelle spiele ich den Ball dem lieben Gerd Schäfer zu. Vielleicht mag er uns erzählen, was er sich dabei gedacht hat, bzw. wie dies zu erklären ist, dass die beiden sich kein Bild geschickt haben.


Zitat

"Sie verfluchte den Berg, den Weg und Mario, weil er von ihr erwartete, diese unmenschliche Leistung zu vollbringen, um dann womöglich auf dem Berg einen Stier zu treffen, der Mario hieß und ihr irgendeine Lebensweisheit ins Gras trampelte." (S.223)


Besonders spannend fand ich es, in jedem neuen Kapitel zu erfahren, wer der neue "Mario" ist und in welche Situation Laura kommt.

Und so habe ich zusammen mit Laura in VERGANGENHEIT geweint, empfand Dankbarkeit in ERFÜLLUNG und konnte in STILLSTAND ihre Zerrissenheit spüren. Es gab Momente in denen ich gelacht und Momente in denen ich den Kopf geschüttelt habe.

Natürlich gab es auch meines Erachtens überflüssige Reaktionen in dem Roman z.B. (Spoiler) als Laura und Sofia sich plötzlich geküsst haben. Das kam zwar unerwartet, der kurze Ausflug ans andere Ufer musste aber nicht wirklich sein und war für die Handlung nicht wichtig.

Ebenso schade wie wundervoll finde ich das Ende des Buches.

Ich muss sagen, ich liebe diese "Ende gut, alles gut"-Enden, denn so ein richtiges Happy End spendet einem Trost,  in der schweren Zeit, die wir alle derzeit erleben. Und obwohl für "Frag nach Mario" genau so ein positives Ende kommen musste, hatte ich schon recht früh gehofft, dass es nicht so kommt.

Irgendwie passte die neugewonnene Liebesbeziehung nicht ganz rein. Da gäbe es unzählige Aspekte, die ich aufzählen könnte, ganz vorn mit dabei das fehlende Foto. (Spoiler Ende)

Das Ende war damit etwas stumpf, hervorsehbar und Holter die Polter. Ich hätte mir hier etwas Unvorhergesehenes gewünscht, nochmal eine Wendung.

Ende gut-alles gut

Weil es mir zum Schluss etwas an Tiefgang gefehlt hat, kann ich nur 4,5 Lesebrillen von 5 Lesebrillen vergeben, am Ende des Tages. Aber alles in allem, ist der Roman doch sehr zu empfehlen. Die Geschichte ist einfach mitreißend und wie ein kleiner psychologischer Begleiter. Er hält einem selbst den Spiegel vor Augen, lässt einen über sich selbst nachdenken.

Außerdem ist es wirklich klasse zu lesen, was die Protagonistin so erlebt und man ist neugierig wie es Kapitel für Kapitel weiter geht.

 

Zum Cover muss ich auch noch was loswerden, wie eingangs schon erwähnt: Mich persönlich hat das Cover leider nicht angesprochen. Zwar passt es wunderbar zum Inhalt, es drückt die anfängliche depressive Stimmung aus und dieses schwarz-grau. Bei der Frau könnte es sich auch gut um die Hauptcharakterin handeln, aber dennoch verleitet das Cover nicht zum Spontankauf, wenn es in der Buchhandlung liegen würde. Zumindest geht es mir so. Und das ist schade, weil der Inhalt so vielversprechend ist.

Haptisch bleibt der Pinguletta-Verlag seinem Design treu und hat einen fotoähnlichen Hochglanzumschlag um  die Seiten gelegt, wofür es von mir wieder einen Pluspunkt gibt.

Und ich liebe den Buchtitel. Es gibt kaum einen Passenderen. Gut gemacht.

 

Ich hoffe, dass ganz viele Menschen da draußen Gerd Schäfer kennen lernen und dieses Buch lesen, denn eine Bereicherung ist es in jedem Falle.

(Quelle: Frag nach Mario, Gerd Schäfer, Pinguletta Verlag, 12,90 €, ISBN: 978-3-948063092)

 

*Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Rezension zur Verfügung gestellt.


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